Was ist entscheidend?
Wieviel Entscheidungen treffen Sie bewusst und wieviel unbewusst? Hälfte- Hälfte? Wissenschaftliche Untersuchungen insbesondere vom Nobelpreisträger Daniel Kahneman lieferten Überraschendes: 95 % aller alltäglichen Entscheidungen fällen Sie nicht, weil Sie darüber nachgedacht haben. “Schuld” daran ist die Struktur unseres Gehirns. Diesen Vorgang zu verstehen, kann sich Werbung wunderbar zu Nutze machen. Das Fachgebiet, das diese Prozesse untersucht und für Potenziale abklopft, heißt Neuromarketing. Der Spezialbereich ist ein Hybrid aus Neuro-, Wirtschaftswissenschaften und Psychologie.
Diesen relativ neuen Aspekt der Marketingforschung sollten Sie unbedingt in Ihren Kampagnen berücksichtigen, denn die darin erlangten Erkenntnisse können von klassischer Marktforschung nicht abgebildet werden. Denn Umfragen, ob etwas schmeckt, gut gefunden wird oder warum etwas gekauft wurde, liefern rationale Antworten, die bereits gefiltert wurden. Sie bilden selten den realen Entscheidungsprozess ab, der fast immer unbewusste Aspekte besitzt. Im Folgenden geben ich Ihnen einen Überblick zum Thema und zeige Ihnen praktische Wege, Marketing neu zu denken.
Kontext ist King
Egal, was Sie an Auftraggebende bringen möchten: Denken Sie daran, dass Menschen Zeichen immer im Kontext wahrnehmen und entsprechend interpretieren. Ein Beispiel: Welche Zahl ist „13”? Dreizehn. Aber welcher Buchstabe ist „13”? B. Je nach Umfeld ordnet unser Hirn ein. Im Marketing nutzen wir den Wahrnehmungskontext, um Produkte besser aussehen zu lassen. So lässt sich in einem fMRT-Scanner nachweisen, dass Getränkeverpackungen tatsächlich Einfluss auf den Geschmack haben. Das gleiche Produkt schmeckt also besser, wenn die Marke gefällt. Den gleichen Effekt kennen Sie vom Essen im Urlaub: Zuhause wird Ihnen das gleiche Gericht nie so gut schmecken wie stressfrei bei schönem Wetter in einer urigen Seitengasse Roms.
Der Markenaufbau ist also ganz entscheidend für die positive Wahrnehmung Ihres Angebots. Damit steigern Sie gleichzeitig die Bereitschaft der Kund:innen, mehr Geld für die gleiche, aber günstigere Leistung bei Anbietende ohne positive Marke zu zahlen.
Um eine Marke richtig aufzubauen nutzen Sie eine weitere Erkenntnis aus dem Neuromarketing. Überlegen Sie sich eine Botschaft, die Sie vermitteln möchten. Eine! Nicht zwei. Denn wir wissen, dass Neuronen, die regelmäßig aktiviert werden, eine starke Verbindung entwickeln. Umso stärker die Verbindung, umso leichter erkennt das Gehirn Ihre Marke wieder. Wiederholen Sie in sämtlichen Medien immer wieder die gleiche Botschaft in variierender kreativer Form. So erreichen Sie feste Assoziationen mit Ihren Angeboten. Würden Sie mehrere Botschaften vermitteln wollen, bräuchten Sie entweder ein riesiges Budget oder sie erreichen viele nur schwache Verbindungen, die von anderen Mitbewerbern leicht überschrieben werden. Primen Sie Ihre Kund:innen auf allen Touchpoints mit der gleichen Botschaft.
Direkt in die Köpfe
Eine Marke stark zu etablieren, ist eine eher langfristige Angelegenheit, die Sie dann allerdings auch lange profitieren lässt. Was aber, wenn der Vertrieb drängt und Neuromarketing kurzfristig erfolgreich einsetzen möchte? Dann versuchen Sie, gehirngerecht zu kommunizieren.
Werbung muss drei Bereiche des menschlichen Gehirns durchdringen. Und zwar in folgender Reihenfolge:
- Reptiliengehirn. Hier wird eine Entscheidung in Millisekunden getroffen. Nähere ich mich oder vermeide ich? Gibt es Nahrung oder Sex? Ist das ein Gesicht? Nur wenn die Werbung hier eine Anknüpfung beim potenziellen Kund:innen schafft, geht es weiter in die nächste Ebene. Attention schaffen!
- Limbisches System. Hier werden die anfangs erwähnten 95 % der Entscheidungen getroffen. Der Bereich arbeitet rein emotional. Positive Gefühle bedeuten positive Entscheidungen. Emotionen generieren!
- Neocortex. Jetzt wird die Entscheidung rational eingeordnet. Habe ich das Geld? Was würde meine Ehefrau oder mein Ehemann sagen? Ist das Produkt wirklich nützlich? Logik und abstraktes Denken sind bestimmend. Argumente liefern!
Es macht also keinen Sinn, in beispielsweise einem Salesfolder rein rational zu argumentieren. Es ist ein großer Fehler, nur auf der Informationsebene zu bleiben. Denn wir müssen an den anderen beiden Ebenen vorbei, bevor die Argumente überhaupt gehört werden. Wenn der Gatekeeper, das Reptiliengehirn, schon vermeidet, wandert die Information gar nicht in den Neocortex.
Den Gatekeeper schaffen Sie zur Seite, indem Sie von der Norm abweichen. Dem Reptiliengehirn gefällt Neues und Ungewöhnliches in Ihrer Marktkategorie! Es liebt und erkennt außerdem mit dem Fusiform Gyrus Gesichter, besonders mit großen Pupillen. Seien Sie aber vorsichtig, wenn der Kunde oder die Kundin eine Aktion auslösen soll. Gesichter führen schnell zu einem hohen Cognitive Load, das heißt es wird zu kompliziert für einfache Entscheidungen.
Für das limbische System arbeiten Sie viel mit Bildern, die Emotionen zeigen. In Texten vermeiden Sie Fachbegriffe, sondern nutzen bildliche Begriffe, regen Sie verbal verschiedene Sinne an!
Jetzt brainstormen
Wenn Sie bei Ihren Marketingaktionen das volle Potenzial ausschöpfen wollen, kommen Sie heute am Neuromarketing nicht mehr vorbei. Alleine das Wissen darüber, dass oben genannte Erkenntnisse wissenschaftlich belegbar sind, sollte Sie im besten Fall dazu veranlassen, Markenaufbau, Anzeigen und Spots aus dieser Perspektive heraus zu betrachten und anzugehen. Das verbessert die Customer Experience ungemein und setzt Customer Centricity besser um, als es der potenzielle Kunde selbst erahnt.